Fertigbauteile Infraleichtbeton ❶ Serielles Bauen mit ILC ❷ Technische Grundlagen ❸ Werkstoffeigenschaften ❹ Herstellung und Transport ❺ Kosten und Umweltbewertung ❻ Konstruktion Elemententwicklung Casestudy 

WÄRMESCHUTZ • BRANDSCHUTZ • SCHALLSCHUTZ • AKUSTIK

Infraleichtbeton ist gemäß DIN 4102 in brandschutztechnischer Hinsicht als A1-Baustoff einzuordnen, da er wie andere Betone überwiegend (zu >99 Masse-%) aus mineralischen Bestandteilen besteht. Damit kann Infraleichtbeton als nicht brennbarer Baustoff klassifiziert werden. 
Die Tragfähigkeit von Betonbauteilen unter Brandeinwirkung wird maßgeblich von folgenden Faktoren beeinflusst: 

• der Festigkeitsentwicklung im Hochtemperaturbereich,
• dem Abplatzverhalten des Betons an der beflammten Oberfläche,
• thermischen Zwangsspannungen im Gefüge sowie
• dem Kriechverhalten im Hochtemperaturbereich. 

Festigkeit und Kriechverhalten im Brandfall werden wie bei anderen Betonen maßgeblich vom Verhalten des Zementsteins sowie der Gesteinskörnung beeinflusst. Die Besonderheit beim Infraleichtbeton ist gegenüber anderen Betonen dabei der hohe Luftporenanteil von über 20 Volumen-%. 

Da sich die Zusammensetzung ansonsten nicht grundsätzlich von der anderer Betone unterscheidet, ist zunächst zu erwarten, dass sich die Festigkeitsentwicklung und das Kriechverhalten im Brandfall ähnlich verhalten wie bei genormten Betonen. Der höhere Luftporengehalt dürfte sich positiv auf die Entwicklung von thermisch bedingten Zwangsspannungen auswirken, wodurch das Risiko von Abplatzungen nicht größer sein sollte als bei anderen Betonen. Bei gefügedichten hochfesten Betonen werden beispielsweise Polypropylenfasern dem Beton beigemischt, welche unter Hitzeeinwirkung verdampfen und so Luftporen schaffen, die dem Abplatzrisiko entgegenwirken. Diese Poren sind im Infraleichtbeton schon von Hause aus vorhanden. 
Zudem ist zu erwarten, dass der Infraleichtbeton aufgrund seiner wärmedämmenden Eigenschaften eine langsamere Erwärmung im Bauteil erfährt als dichtere Betone mit höherer Wärmeleitfähigkeit. Dadurch sollte das Tragverhalten des Bauteils bei gleicher Branddauer im Verhältnis weniger kritisch sein. 
Nachweise des konstruktiven Brandschutzes für tragende Betonbauteile werden in DIN EN 1992-1-2 geregelt. Darin sind unterschiedliche Verfahren zum Nachweis des Tragverhaltens im Brandfall angegeben, nämlich:

• Ein tabellarisches Nachweisverfahren nach Abschnitt XX.XX,
• Ein vereinfachtes Rechenverfahren nach Abschnitt XX.XX sowie
• Das allgemeine Rechenverfahren nach Abschnitt XX.XX.

Die Nachweisverfahren nach DIN EN 1992-1-2 basieren auf den Ergebnissen langjähriger Forschungsvorhaben zum Hochtemperaturverhalten von Normalbetonen und genormten Leichtbetonen. 

Infraleichtbeton wird aufgrund der geringen Trockenrohdichte von <800 kg/m3 und des hohen Luftporenanteils nicht von DIN EN 1991 erfasst. Die für Fertigteile aus haufwerkporigem Leichtbeton (LAC) gültige europäische Norm DIN EN 1520 in Verbindung mit der deutschen Anwendungsnorm DIN 4213 regeln ausschließlich die Bauteilbemessung im Kaltfall. 

Für Infraleichtbeton liegen umfangreiche allgemeine Forschungsergebnisse zum Verhalten im Hochtemperaturbereich derzeit noch nicht vor. Im Rahmen von vorhabenbezogenen Genehmigungsverfahren können in der Regel nur die für das betreffende Bauvorhaben relevanten Faktoren ermittelt werden. 

Im Rahmen der vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung (vBG) für eine Brandwand aus Infraleichtbeton wurden beim Bauvorhaben REWE-Markt Revaler Str. 33 in Berlin umfangreiche Brandversuche auf Material- und Bauteilebene durchgeführt. Diese Versuche haben die oben angestellten Vermutungen zum Hochtemperaturverhalten des ILC bestätigt.

 

Bild 2 Brandwandversuch REWE

In Abbildung XX ist der in der mit Thermofühlern instrumentierten Versuchswand gemessene Temperaturgradient nach 90 min Beflammung mit der Einheits-Temperaturkurve dargestellt. Zu erkennen ist, dass die Durchwärmung des Bauteils im Vergleich zum Temperaturgradienten nach Norm deutlich geringer ausfällt und eher der Kurve eines Normalbetons nach 30 min Brandeinwirkung entspricht. 
<Abbildung XX: Temperaturgradient im Brandwandversuch>
Die Entwicklung der Druckfestigkeit im Hochtemperaturbereich wurde im Rahmen der vBG bei unterschiedlichen Temperaturstufen an Würfeln untersucht. Es zeigte sich wie in Abbildung XX dargestellt ein mit anderen Betonen sehr gut vergleichbares Verhalten. 
<Abbildung XX: Entwicklung der Betondruckfestigkeit von ILC im Hochtemperaturbereich>
Im Zuge der 90-minütigen Beflammung nach Einheitstemperaturkurve wurden keinerlei Abplatzeffekte festgestellt. Die Vermutung, dass ILC sich im Bezug auf das Abplatzen grundsätzlich gutmütig verhält, wurde damit experimentell bestätigt.  
Die konkreten Anforderungen an den Brandwiderstand tragender Bauteile sind projektabhängig und werden im Brandschutzgutachten auf der Grundlage der Landesbauordnung festgelegt. Das Freilandlabor ist nach Bauordnung des Landes Berlin in Gebäudeklasse 4 einzuordnen. Damit müssen tragende Wände und Stützen eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 60 min aufweisen (REI60). 
Der Nachweis ausreichender Tragfähigkeit im Brandfall kann bei nicht genormten Bauweisen grundsätzlich auf unterschiedliche Arten erbracht werden:

• durch großformatige Bauteilversuche im Stützen- oder Wandprüfstand unter Temperatureinwirkung oder 
• durch rechnerische Nachweise auf Grundlage von Kleinversuchen oder bestehender Datenlage. 

Im Rahmen einer Vorbemessung kann zunächst folgendes Verfahren in Anlehnung an das Verfahren mit Nettoquerschnitten für Holzbauteile nach DIN EN 1995-1-2 verwendet werden. Dabei wird vom Ausfall einer oberflächennahen Betonschicht aufgrund des Festigkeitsabfalls ausgegangen. 

1. Festlegung der Tiefe der Durchwärmung >200°C, ab der relevanter Festigkeitsabfall eintritt.
2. Abzug der betroffenen Betonschicht vom Bruttoquerschnitt. 
3. Nachweis der Standsicherheit im Brandfall am Nettoquerschnitt.

Dabei ist zu beachten, dass auch die Stahlbewehrung einen temperaturbedingten Festigkeitsabfall erfährt. Im Fall von Infraleichtbeton mit ausreichender Betonüberdeckung ist der Betonstahl zunächst besser gegen Erhitzung geschützt als bei Normalbetonwänden. Sofern die tragende Bewehrung innerhalb der kritischen Zone liegt, muss auch für den Stahl eine Abminderung der Festigkeit angesetzt werden. 


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