Fertigbauteile Infraleichtbeton ❶ Serielles Bauen mit ILC ❷ Technische Grundlagen ❸ Werkstoffeigenschaften ❹ Herstellung und Transport ❺ Kosten und Umweltbewertung ❻ Konstruktion Elemententwicklung Casestudy
WÄRMESCHUTZ • BRANDSCHUTZ • SCHALLSCHUTZ • AKUSTIK
Der vorliegende Leitfaden zum Bauen mit Infraleichtbeton Fertigteilen (ILC) ist das Ergebnis des interdisziplinären Forschungsprojekts „Prototyp einer neuartigen, modularen und nachhaltigen Schnellbauschule“.
Im Rahmen des Forschungsprojekts erfolgte die Entwicklung, Planung und Realisierung einer nachhaltigen, modularen Schnellbauschule aus Infraleichtbeton, die es an verschiedenen Standorten ermöglicht, flexibel und spezifisch auf den individuellen Bedarf unterschiedlicher Schularten- und typologien zu reagieren.
Ziel dieses Leitfadens ist es, die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ArchitektInnen das erforderliche Wissen zum Bauen mit Infraleichtbeton-Fertigteilen an die Hand zu geben.
Das durch die Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt entstand in Zusammenarbeit der Fachgebiete „Entwerfen und Konstruieren-Massivbau“ der TU Berlin von Prof. Mike Schlaich und „Konstruktives Entwerfen und Tragwerksplanung“ der UdK Berlin von Prof. Gengnagel. Weitere beteiligte Projektpartner sind das Hermann-Rietschel-Institut für Energietechnik von Prof. Kriegel, Transsolar Energietechnik, SBP Ingenieure, Heidelberg Cement AG, Thomas Alton Betonbauteile und das Schulamt Steglitz-Zehlendorf.
Der monolithische Baustoff ILC vereint Tragfähigkeit und Wärmedämmung in einem Material, was eine besonders robuste, langlebige und effiziente Bauweise ermöglicht und eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen mehrschichtigen Wandaufbauten im Sinne des „Einfach Bauen“bietet. Aufgrund seines geringen Eigengewichts und seiner rein mineralischen Zuschläge ist Infraleichtbeton besser recycelbar als Normalbeton und weist zugleich interessante Brand- und Schallschutzeigenschaften auf. Die erforderliche Wandstärke bedingt zudem ein sehr prägnantes, monolitisches Erscheinungsbild, das in gestalterischer Hinsicht eine abwechslungsreiche Alternative zu gängigen Leichtbauweisen darstellt.
Infraleichtbeton wird seit 2006 am Fachgebiet „Entwerfen und Konstruieren – Massivbau“ von Prof. Schlaich erforscht und weiterentwickelt. Bisher erschienen ist neben zahlreicher Fachbeiträge, auf die im Anhang verwiesen wird, das Handbuch „Infraleichtbeton – Entwurf-Konstruktion-Bau“, das die konstruktiven und architektonischen Möglichkeiten des Materials in Ortbetonbauweise beleuchtet und die in über zehn Jahren gewonnenen Erkenntnisse zusammenfasst.
Der vorliegende Leitfaden versteht sich als Nachschlagewerk zum Bauen mit ILC Fertigteilen und vermittelt das gestalterische Potential der Bauweise sowie konstruktive Grundlagen. Er liefert im Folgenden eine Übersicht zum seriellen Bauen und Gestalten mit Infraleichtbeton, technische Entwurfsgrundlagen, Werkstoffeigenschaften, Eckdaten zu Fabrikation und Transport, Kosten- und Umweltbewertung sowie konstruktive Details am Beispiel der durchgeführten Fallstudien.
Da die Erforschung des Werkstoffs kontinuierlich weiterentwickelt wird, empfiehlt sich bei der Planung zusätzlich eine Überprüfung des aktuellen Forschungsstands.
Die dargestellten Ausführungsdetails sind als Hilfestellung bei der Planung in Infraleichtbeton Fertigbauweise gedacht und basieren nach bestem Wissen auf dem derzeitigen Stand der Bautechnik.
Ziel des Forschungsprojekts „Prototyp einer neuartigen, modularen und nachhaltigen Schnellbauschule“ ist die Entwicklung, Planung und Realisierung einer nachhaltigen, modularen Schnellbauschule aus Infraleichtbeton, die es an verschiedenen Standorten ermöglicht, flexibel und spezifisch auf den individuellen Bedarf unterschiedlicher Schularten- und typologien zu reagieren.
Dieser Leitfaden befasst sich mit dem Baustoff Infraleichtbeton und den sich damit erschließenden Möglichkeiten im Fertigteilbau. Der monolithische Baustoff vereint Tragfähigkeit und Wärmedämmung in einem Material, was eine besonders robuste, langlebige und effiziente Bauweise ermöglicht. Neben einer Vielzahl an interessanten bauphysikalischen Eckdaten weißt der Infraleichtbeton auch einige andere Kompetenzen und Vorteile auf. ILC. Er bietet ein ein hohes gestalterisches Potenzial und stellt eine wettbewerbsfähige Alternative zu üblichen mehrschichtigen Wandaufbauten dar. Aufgrund seines geringen Eigengewichts kann das Bauen mit Infraleichtbeton auch zur Reduzierung von Lasten in der Gebäudekonstruktion beitragen, was wiederum die Statik vereinfacht und den Einsatz von unterschiedlichen Baustoffen auch in der Tragkonstruktion reduziert. Zudem punktet das Material in den Bereichen Brandschutz, Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit. Die erforderliche Wanddicke im Bau mit ILC hat ein sehr prägnantes, monolithisches Erscheinunsbild zur Folge, das auch städtebaulich genutzt werden kann und eine spannende Alternative zu gängigen Leichtbauweisen darstellt. Auch die Haptik und akkustischen Eigenschaften des Materials weisen Möglichkeiten auf, mit denen auf innenarchitektonischer Ebene interessante Entwürfe und Ergebnisse zu erzielen sind.
Die folgenden Seiten sollen die konstruktiven und architektonischen Möglichkeiten von Infraleichtbetonfertigteilen aufzeigen und eine detaillierte Hilfestellung bei der Planung von Gebäuden bieten. Der Leitfaden vermittelt sowohl geschichtliches als auch bauphysikalisches Wissen im Bereich des Infraleichtbeton und soll eine Einstiegshilfe für ArchitektInnen und IngenieurInnen bieten, die Interesse an den optimalen Nutzungsmöglichkeiten des Baustoffes und insbesondere der Fertigteilbauweise haben.

Brandschutz
Infraleichtbeton ist gemäß DIN 4102 in brandschutztechnischer Hinsicht als A1-Baustoff einzuordnen, da er wie andere Betone überwiegend (zu >99 Masse-%) aus mineralischen Bestandteilen besteht. Damit kann Infraleichtbeton als nicht brennbarer Baustoff klassifiziert werden.
Die Tragfähigkeit von Betonbauteilen unter Brandeinwirkung wird maßgeblich von folgenden Faktoren beeinflusst:
• der Festigkeitsentwicklung im Hochtemperaturbereich,
• dem Abplatzverhalten des Betons an der beflammten Oberfläche,
• thermischen Zwangsspannungen im Gefüge sowie
• dem Kriechverhalten im Hochtemperaturbereich.
Festigkeit und Kriechverhalten im Brandfall werden wie bei anderen Betonen maßgeblich vom Verhalten des Zementsteins sowie der Gesteinskörnung beeinflusst. Die Besonderheit beim Infraleichtbeton ist gegenüber anderen Betonen dabei der hohe Luftporenanteil von über 20 Volumen-%.
Da sich die Zusammensetzung ansonsten nicht grundsätzlich von der anderer Betone unterscheidet, ist zunächst zu erwarten, dass sich die Festigkeitsentwicklung und das Kriechverhalten im Brandfall ähnlich verhalten wie bei genormten Betonen. Der höhere Luftporengehalt dürfte sich positiv auf die Entwicklung von thermisch bedingten Zwangsspannungen auswirken, wodurch das Risiko von Abplatzungen nicht größer sein sollte als bei anderen Betonen. Bei gefügedichten hochfesten Betonen werden beispielsweise Polypropylenfasern dem Beton beigemischt, welche unter Hitzeeinwirkung verdampfen und so Luftporen schaffen, die dem Abplatzrisiko entgegenwirken. Diese Poren sind im Infraleichtbeton schon von Hause aus vorhanden.
Zudem ist zu erwarten, dass der Infraleichtbeton aufgrund seiner wärmedämmenden Eigenschaften eine langsamere Erwärmung im Bauteil erfährt als dichtere Betone mit höherer Wärmeleitfähigkeit. Dadurch sollte das Tragverhalten des Bauteils bei gleicher Branddauer im Verhältnis weniger kritisch sein.
Nachweise des konstruktiven Brandschutzes für tragende Betonbauteile werden in DIN EN 1992-1-2 geregelt. Darin sind unterschiedliche Verfahren zum Nachweis des Tragverhaltens im Brandfall angegeben, nämlich:
• Ein tabellarisches Nachweisverfahren nach Abschnitt XX.XX,
• Ein vereinfachtes Rechenverfahren nach Abschnitt XX.XX sowie
• Das allgemeine Rechenverfahren nach Abschnitt XX.XX.
Die Nachweisverfahren nach DIN EN 1992-1-2 basieren auf den Ergebnissen langjähriger Forschungsvorhaben zum Hochtemperaturverhalten von Normalbetonen und genormten Leichtbetonen.
Infraleichtbeton wird aufgrund der geringen Trockenrohdichte von <800 kg/m3 und des hohen Luftporenanteils nicht von DIN EN 1991 erfasst. Die für Fertigteile aus haufwerkporigem Leichtbeton (LAC) gültige europäische Norm DIN EN 1520 in Verbindung mit der deutschen Anwendungsnorm DIN 4213 regeln ausschließlich die Bauteilbemessung im Kaltfall.
Für Infraleichtbeton liegen umfangreiche allgemeine Forschungsergebnisse zum Verhalten im Hochtemperaturbereich derzeit noch nicht vor. Im Rahmen von vorhabenbezogenen Genehmigungsverfahren können in der Regel nur die für das betreffende Bauvorhaben relevanten Faktoren ermittelt werden.
Im Rahmen der vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung (vBG) für eine Brandwand aus Infraleichtbeton wurden beim Bauvorhaben REWE-Markt Revaler Str. 33 in Berlin umfangreiche Brandversuche auf Material- und Bauteilebene durchgeführt. Diese Versuche haben die oben angestellten Vermutungen zum Hochtemperaturverhalten des ILC bestätigt.
Bild 2 Brandwandversuch REWE
In Abbildung XX ist der in der mit Thermofühlern instrumentierten Versuchswand gemessene Temperaturgradient nach 90 min Beflammung mit der Einheits-Temperaturkurve dargestellt. Zu erkennen ist, dass die Durchwärmung des Bauteils im Vergleich zum Temperaturgradienten nach Norm deutlich geringer ausfällt und eher der Kurve eines Normalbetons nach 30 min Brandeinwirkung entspricht.
<Abbildung XX: Temperaturgradient im Brandwandversuch>
Die Entwicklung der Druckfestigkeit im Hochtemperaturbereich wurde im Rahmen der vBG bei unterschiedlichen Temperaturstufen an Würfeln untersucht. Es zeigte sich wie in Abbildung XX dargestellt ein mit anderen Betonen sehr gut vergleichbares Verhalten.
<Abbildung XX: Entwicklung der Betondruckfestigkeit von ILC im Hochtemperaturbereich>
Im Zuge der 90-minütigen Beflammung nach Einheitstemperaturkurve wurden keinerlei Abplatzeffekte festgestellt. Die Vermutung, dass ILC sich im Bezug auf das Abplatzen grundsätzlich gutmütig verhält, wurde damit experimentell bestätigt.
Die konkreten Anforderungen an den Brandwiderstand tragender Bauteile sind projektabhängig und werden im Brandschutzgutachten auf der Grundlage der Landesbauordnung festgelegt. Das Freilandlabor ist nach Bauordnung des Landes Berlin in Gebäudeklasse 4 einzuordnen. Damit müssen tragende Wände und Stützen eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 60 min aufweisen (REI60).
Der Nachweis ausreichender Tragfähigkeit im Brandfall kann bei nicht genormten Bauweisen grundsätzlich auf unterschiedliche Arten erbracht werden:
• durch großformatige Bauteilversuche im Stützen- oder Wandprüfstand unter Temperatureinwirkung oder
• durch rechnerische Nachweise auf Grundlage von Kleinversuchen oder bestehender Datenlage.
Im Rahmen einer Vorbemessung kann zunächst folgendes Verfahren in Anlehnung an das Verfahren mit Nettoquerschnitten für Holzbauteile nach DIN EN 1995-1-2 verwendet werden. Dabei wird vom Ausfall einer oberflächennahen Betonschicht aufgrund des Festigkeitsabfalls ausgegangen.
1. Festlegung der Tiefe der Durchwärmung >200°C, ab der relevanter Festigkeitsabfall eintritt.
2. Abzug der betroffenen Betonschicht vom Bruttoquerschnitt.
3. Nachweis der Standsicherheit im Brandfall am Nettoquerschnitt.
Dabei ist zu beachten, dass auch die Stahlbewehrung einen temperaturbedingten Festigkeitsabfall erfährt. Im Fall von Infraleichtbeton mit ausreichender Betonüberdeckung ist der Betonstahl zunächst besser gegen Erhitzung geschützt als bei Normalbetonwänden. Sofern die tragende Bewehrung innerhalb der kritischen Zone liegt, muss auch für den Stahl eine Abminderung der Festigkeit angesetzt werden.
Fazit
Infraleichtbeton ist gemäß DIN4102, in die Baustoffklasse A1 (nicht brennbar) einzustufen. Es wurde ein typisches thermales Verhalten wie bei Normalbeton beobachtet.
